Wer sind die Menschen hinter den Projekten? Woran wird gerade gearbeitet? Welche Tipps können die Projektmacher anderen geben? In einer neuen Interviewserie möchten wir einen Einblick hinter die Kulissen spannender Projekte gewähren. Den Anfang macht das Projekt „Gemeinwohlwohnen“.

Lichterkette e.V.: Ein selbstverwaltetes Wohnprojekt, das auf vielfache Weise inklusiv ist – die Idee ist sehr spannend, wie seid ihr überhaupt darauf gekommen? Was hat euch inspiriert?

Gemeinwohlwohnen: Die Idee für das Gemeinwohlwohnen entstand, als der Sozialunternehmer Alejandro Hünich (Gründer des Zusammen-Leben e.V.) und der Rollstuhlfahrer und Ethnologiestudent Samuel Flach sich 2015 zufällig in einem Café an der Münchner Freiheit kennen lernten.
Alejandro hatte ein Wohnprojekt mitinitiiert, in dem vier Studierende und vier Geflüchtete zusammen in einem Haus wohnten, dass sie zuvor gemeinsam renoviert hatten. Die Wohnsituation ist für die Geflüchteten ideal, da ihnen auf diese Weise das Deutschlernen, sowie die Integration und der Anschluss in einem neuen Alltag erleichtert wurde.
Samuel lebte als Rollstuhlfahrer ein ganz anderes Wohnkonzept. Als Arbeitgeber stellte er seine Mitbewohnerin als Assistentin ein, die ihm dafür bei der Pflege und im Alltag helfen – eine Win-Win-Situation: Die eine Seite wohnt mietfrei, die andere bekommt die Möglichkeit selbstbestimmt im Alltag zu leben.

Aus der Vereinigung beider Wohnkonzepte entstand die Idee von Gemeinwohlwohnen: Menschen mit Behinderung suchen als Arbeitgeber nach Assistenten, geflüchtete Menschen als Arbeitnehmer nach schnell zugänglichen Jobs. Zusätzlich profitieren beide davon mit anderen Menschen zusammen zu wohnen – sei es, weil jemand Hilfe bei einer Aufgabe benötigt, oder weil Austausch und Kommunikation für alle ein Gefühl von Zugehörigkeit schafft. Flüchtlinge und Behinderte sind in der Gesellschaft benachteiligte Gruppen – wenn sie miteinander wohnen würden, könnten sie besser leben.

LK: Welche Situationen haben euch in eurer Arbeit für inklusives Wohnen positiv bestärkt?

GWW: Im Frühjahr 2017 organisierten wir die Veranstaltung „Die Zukunft des Zusammenlebens“, bei der wir verschiedene Hintergründe und Nationalitäten, mit und ohne Behinderung einluden gemeinsam über das Thema solidarisches wohnen zu diskutieren. Wir organisierten Bands, kochten gemeinsam ein köstliches internationales Buffet, mieteten ein Raum und planten ein Programm, das einen ganzen Nachmittag und Abend füllte. Als wir kurz vor Veranstaltungsbeginn mit dem Aufbau fertig waren, stand auf einmal die Frage in der Luft: „Was, wenn gar keine Leute kommen? Was, wenn das Thema gar kein Interesse weckt?“ Doch schon eine halbe Stunde später war der Raum voll und noch bis spät abends kamen mehr und mehr Menschen. Nun mussten wir: das Thema solidarisches, interkulturelles und inklusives Zusammenleben ist höchst brisant und betrifft uns alle. Das noch niemand vor uns den Weg gegangen ist, heißt nicht, dass es nicht funktioniert oder uninteressant ist, sondern dass wir etwas anstoßen, das gesellschaftlich längst überfällig geworden ist.

LK: Welches sind derzeit eure größten Herausforderungen?

GWW: Unsere Herausforderungen besteht darin genügend Ehrenamtliche zu finden, die Verantwortung übernehmen möchten. Da unser Verein momentan komplett ehrenamtlich arbeitet sind wir oft ausgelastet mit bürokratischen Aufgaben.

LK: Was steht bei euch im Jahr 2018 an?

GWW: Im Jahr 2008 wollen wir durch Fundraising eine hauptamtliche Geschäftsführung etablieren und unsere Kooperation mit dem Bauträger Euroboden für die Umsetzung unseres Wohnprojektes in Haidhausen festigen. Zusätzlich etablieren wir gemeinsam WOHN:SINN ein deutschlandweites Bündnis für inklusives Wohnen. Um in der Öffentlichkeit präsent zu bleiben organisieren wir im Sommer eine interkulturelle und inklusive Veranstaltung.

LK: Wie können begeisterte Leser des Interviews euch unterstützen?

GWW: Wir freuen uns über alle Menschen, die uns zum Beispiel bei der Organisation einer Veranstaltung oder in der Umsetzung eines zeitbegrenzten Projektes unterstützen möchten. Da wir unsere Ausgaben größtenteils durch Spenden finanzieren freuen wir uns außerdem über Spender*innen oder Fördermitglieder, die uns durch regelmäßige Beiträge die Vereinsarbeit ermöglichen.

LK: Was würdet ihr Projektmachern, die mit ihrer Idee noch ganz am Anfang stehen, auf den Weg geben?

GWW: Ohne Geduld und Ausdauer wird kein Traum wahr werden. Von der Vision bis zu einem umgesetzten Projekt ist es ein weiter Weg – ihn zu meistern gelingt nur mit der Lust zu lernen und sich selbst zu wachsen. Zudem fördern Teambildende Maßnahmen den Willen ehrenamtlich Tätigkeiten ( z.B: Vereinstreffen oder Projektarbeiten) umzusetzen.

Herzlichen Dank für das Interview und viel Erfolg!


Foto: Daniela Buchholz