Wer sind die Menschen hinter den Projekten? Woran wird gerade gearbeitet? Welche Tipps können die Projektmacher anderen geben? Im zweiten Teil der Interviewserie haben wir mit Javid Dust vom Projekt Menschfit gesprochen.
Lichterkette e.V.: Ein Bewegungs- und Physioangebot, das zu Geflüchteten kommt – die Idee ist sehr spannend, wie seid ihr überhaupt darauf gekommen? Was hat euch inspiriert?
Menschfit: Als selbst Geflüchteter ist es nicht so schwer, die Bedürfnisse bzw. körperliche und psychische Beschwerden anderer Geflüchteter zu erkennen, besonders wenn man im Hintergrund ein Sportwissenschaftsstudium hat und jetzt Physiotherapie studiert. Ein Jahr nach meiner Ankunft in Deutschland habe ich mich zwei Jahre für verschiedene soziale Organisationen und Projekte engagiert. Dadurch hatte ich viel Zeit, mich mit Menschen mit Fluchthintergrund zu unterhalten. Durch meine intensiven Gespräche mit ihnen konnte ich nachvollziehen, woher ihre Beschwerden kommen und was ihnen helfen kann. Außerdem wurde mir bewusst, was sie hindert, sich um sich selbst zu kümmern. Als Physiotherapie-Schüler habe ich mich gefragt, wie ich sie unterstützen kann, diese Beschwerden zu vermeiden und wie ich sie positiv beeinflussen kann. Dann habe ich mich entschieden, als ersten Schritt mit Geflüchteten in dem Wohnprojekt, in dem ich selbe wohne, zu starten. Und als ich das meinen Mitschülern erzählte, habe ich einige gefunden, die mitmachen.
LK: An welche Situationen erinnert ihr euch, die euch in eurer Arbeit positiv bestärken?
MF: Glücklich zu machen ist nicht schwer, aber glücklich zu sein braucht manchmal einen Impuls. Menschen mit Fluchthintergrund Freude zu machen und das Lächeln in ihrem Gesicht zu sehen, macht uns in unserer Arbeit stärker. Immer wenn sie sich bei uns bedanken und unsere Arbeit schätzen, motivieren sie uns, weiter zu machen. Oder wenn wir Rückmeldung von unseren Teilnehmern bekommen, dass ihnen unser Angebot guttut, ist es uns wertvoll. Ich kann mich gut erinnern an dem Tag, wo drei Teilnehmerinnen sich nach dem Kurs bei uns bedanken und gesagt: „Wir freuen uns jedes Mal, wenn wir kommen und fühlen uns danach leichter“. Auch die Teilnahme unterschiedlicher Altersgruppen von jungen Leuten bis zur älteren Generation an unseren Angeboten bestärkt uns in unsere Arbeit.
LK: Was sind derzeit Herausforderungen, denen ihr begegnet?
MF: Unsere Angebote richtet sich an alle erwachsenen Migranten. Bisher werden sie aber eher von Frauen angenommen als von Männern. Vielleicht sind Männer mehr beschäftigt und sagen, sie hätten weniger Zeit, an Angeboten teilzunehmen. Wir arbeiten daran, wie wir Männern trotzdem die Teilnahme ermöglichen können.
Viele Migranten haben Kinder, und die Verantwortung für Kinder tragen meistens die Frauen. Deshalb können manche Frauen an unseren Kursen nicht teilnehmen. Dafür bieten wir jetzt Wohnprojekt Berg am Laim eine Kinderbetreuerin, die uns unterstützt. Wir suchen auch an den anderen Orten ehrenamtliche Kinderbetreuerinnen und -betreur, damit mehr Frauen die Angebote nutzen können.
Wir wollen unser Angebot auf noch mehr Orte erweitern und mehr Kurse anbieten. Uns fehlen aber zurzeit ehrenamtliche Trainer und Organisatoren. Deshalb sind wir mit Organisationen im Gespräch, die Ehrenamtlichen für Projekte suchen und vermitteln.
LK: Kamt ihr mal an den Punkt, aufzugeben oder nicht weiter machen zu wollen? Falls ja, was hat euch in diesen Momenten konkret dazu motiviert dran zu bleiben?
MF: Wir sind froh, dass wir noch nie aufgeben wollten. Aber es gab Situationen, wo wir etwas ändern mussten. Entweder Uhrzeit, weil es manchmal zu früh oder zu spät war, oder dass wir Männern und Frauen getrennte Angebote machen mussten. Gemischte Gruppen wurden gar nicht angenommen.
LK: Was steht bei euch im Jahr 2020 an?
MF: Wir haben uns für 2020 vorgenommen, die Kurse, die wir jetzt anbieten, konsequent durchzuführen. Außerdem möchten wir neben den aktiven Angeboten Infoabende und Workshops über die Themen „Gesundheit“, „Sport und Aktivität“, sowie „Kinder und Frauen“ durchführen.
LK: Wie können begeisterte Leser des Interviews euch unterstützen?
MF: Was wir anbieten, kostet vor allem viel Zeit. Damit mehrere Menschen uns erreichen können, müssen wir aber noch mehr Zeit in Projekte investieren. Deshalb liegt unsere Priorität bei Zeitspenden. Uns kann jede/r unterstützen, sogar auch von zu Hause auf dem Sofa. Wer unsere Arbeit schätzt und uns stärker machen möchte, muss nicht unbedingt sportlich sein oder Gesundheit studiert haben. Wir hätten gern noch Hilfe für Werbung, Fundraising, Kommunikation mit Organisationen und Vereinen, Kooperationspartner finden, etc.
LK: Was würdet ihr Projektmachern, die mit ihrer Idee noch ganz am Anfang stehen, auf den Weg geben?
MF: Ideen zu verwirklichen ist ein langer Weg. Auf diesem Weg braucht man einen großen Rucksack mit Zeit, Geduld, Hoffnung und den Glauben an das, was man macht. Man muss durchhalten und sich immer wieder selbst motivieren. Er gibt immer wieder Hindernisse auf dem Weg. Wichtig ist es, den Blick auf das Ziel nicht zu verlieren. Das ist bestimmt nicht einfach, denn wenn es einfach wäre, würden es alle machen.
Herzlichen Dank für das Gespräch und viel Erfolg!